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„Zunge hat keine Knochen, wohin man sie dreht, dreht sie sich dorthin“ (S. 9)Mutterzunge von Emine Sevgi Özdamar
„Mutterzunge“ ist ein Ausdruck, der in der deutschen Standardsprache nicht existiert. Özdamars Roman Mutterzunge, der 1990 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde, schlägt nicht nur eine wörtliche Übersetzung von „mother tongue“ vor, sondern auch eine künstlerische Geste, da dieser Ausdruck und die Bedeutungsgleichheit von Sprache und Zunge in einigen anderen Sprachen wie Englisch, Französisch und Türkisch existiert, aber nicht im Deutschen (nur „Muttersprache“ als „mother language“). Özdamars Ausgangspunkt ist die tiefe Bindung zu ihrer Mutter. Sie hinterfragt Arabisch, Deutsch und Türkisch als Sprachen, die sie als Räume der Abstraktion, des konzeptuellen Denkens, der Komposition, der Intimität und der Artikulation behandelt. Das Buch untersucht Migrationspolitik durch kleine Gesten des Alltags aus der Erzählperspektive einer jungen türkischen Migrantin, die in Deutschland lebt. Der Roman schafft einen offenen Raum für unsere Imagination und wirft kritische Fragen u.a. zu Sprache, Staat, Öffentlichkeit, Erinnerung und Zugehörigkeit auf. Die Erzählerin erklärt zunächst, dass in ihrer Sprache „Zunge“ im Türkischen auch „Sprache“ bedeutet.
Für jede Geschichte aus Özdamars Roman entwickelt das Projekt einen szenischen Akt an einem bestimmten Ort in Berlin. Jeder Akt umfasst Ansätze, Bedenken und Fragen zum Übersetzen, Moderieren und Editieren zwischen verschiedenen Sprachen, Gemeinschaften und Kulturen. Ziel ist, die Leser mit den Nutzern in Verbindung zu bringen, die Hörfähigkeiten durch Leseinteressen zu verbessern und auf einzelne Texte die Praktiken des Co-Editierens anzuwenden. Manchmal ist es ein langer Tisch, an dem Gespräche stattfinden, oder ein Brainstorming für neue Ideen in einem Atelier, ein off-space, der sich dem kollektiven Denken widmet, oder eine Bar, ein Sprachkurs, ein Kino, wo immer wir fremde Sprachen hören.
Durch zirkulierende Gespräche, Recherche, Feldforschung und methodisches Denken will Mutterzunge diese Geschichten mit einem Verständnis für aktuelle Fragen zu Autonomie, Anonymität und Authentizität neu schreiben.